Kinder / Jugendliche

Fast jeder fünfte Jugendliche in tiefer psychischer Krise

Weimar (ddp). Nahezu jeder fünfte Jugendliche in Deutschland gerät während seiner Pubertät in gefährliche psychische Krisen. Depressionen, Magersucht, Essstörungen und Suizide hätten in den vergangenen 20 Jahren stark zugenommen, sagte die Mainzer Psychologin Inge Seiffge-Krenke bei einem jugendmedizinischen Kongress am Freitag in Weimar. Bis zu 4000 Jugendliche töteten sich pro Jahr in Deutschland selbst. Bei den 15- bis 24-Jährigen jungen Männern sei der Suizid nach dem Unfall zur zweithäufigsten Todesursache geworden.

Vier Prozent der Jugendlichen in Krisen müssten sich wegen schwerer Depressionen in medizinische Behandlung begeben. Zehn Prozent litten unter depressiven Symptomen wie Appetit- oder Lustlosigkeit. 70 Prozent der Jugendlichen in Krisen machen den Angaben zufolge diffuse Körperschmerzen wie Kopf- und Bauchschmerzen zu schaffen. Betroffen seien doppelt so viele Mädchen wie Jungen. Essstörungen würden heute allerdings zunehmend auch bei männlichen Jugendlichen diagnostiziert. Grundsätzlich reagierten Mädchen auf schwere innere Krisen mit Depressionen und Angststörungen, während Jungen sich in delinquentem Verhalten und Drogenmissbrauch abreagierten.

Eine Hauptursache dafür sieht der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Klaus Gritz, in den weggefallenen sozialen Netzen. Intakte Familien seien immer seltener, die Kirche verliere zunehmend ihre Rolle und der Staat ziehe sich immer mehr aus seinen sozialen Verpflichtungen zurück. Hinzu komme, dass die Jugendzeit auf Grund früherer biologischer Reife und späterer Berufstätigkeit deutlich länger werde.

Die Experten fordern eine Vernetzung aller Strukturen, die Jugendlichen in Krisen helfen können. Nötig sei, die Kompetenzen von Hausärzten, Jugendmedizinern und Psychologen besser zu verbinden. Als Basis dienten finanziell und personell gut ausgestattete Hausarztpraxen, die präventiv wirksam werden müssten. Da Krisen Jugendlicher sich bereits in der Kindheit andeuteten, müsste die Prävention bereits früh einsetzen. In der Schule sollten Gesundheitserziehung und Familienkunde wieder eingeführt werden. In Deutschland gibt es nach Angaben des Verbandes rund 1200 Krisenberatungsstellen für Jugendliche.

Quelle: Lichtblick-newsletter.de vom 10.03.2003

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